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21. Nov Lehren aus der Aviären Influenza und warum „One Health” die Zukunft ist

Die Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments über übertragbare Tierseuchen legt Vorschriften für deren Prävention fest, darunter auch für die hochpathogene Aviäre Influenza (HPAI). Geflügel ist eine Gruppe von Tierarten von hoher wirtschaftlicher Bedeutung, und HPAI hat erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und die Lebensmittelsicherheit. Die jüngsten Ausbrüche haben gezeigt, dass alle verfügbaren Instrumente, einschliesslich Impfungen, überdacht werden müssen, um die Aviären Influenza wirksam einzudämmen und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Geflügelsektors zu schützen. Die Krise von 2021/ 2022 hat auch gezeigt, dass der Schlüssel zur Verhinderung der nächsten Pandemie ein „One Health“-Ansatz ist, da die Gesundheit der Tiere die Gesundheit aller ist.  

Das Tiergesundheitsgesetz

Flamant rose smallDas sogenannte Tiergesundheitsgesetz (Verordnung (EU) 2016/429) zur Prävention und Bekämpfung von auf Tiere oder Menschen übertragbaren Tierseuchen ist seit dem 21. April 2021 in Kraft – gerade rechtzeitig, um der HPAI-Pandemie von 2021/ 2022 zu begegnen, die zum grössten Geflügelsterben in Europa geführt hat.

Unter den fünf Krankheiten (Maul- und Klauenseuche, klassische Schweinepest, afrikanische Schweinepest, hochpathogene Aviäre Influenza und afrikanische Pferdepest) stellt HPAI aufgrund ihrer zoonotischen Natur und weil sie viele Vogelarten befallen kann, von Wildvögeln bis hin zu Geflügel, einschliesslich Legehennen und Masthühnern, die zur Fleischproduktion gezüchtet werden, die grösste Bedrohung dar.

 

Flamingo:  Die Wanderungsmuster vieler Wildvögel, wie beispielsweise der Flamingos, tragen aufgrund ihrer langen Flugstrecken zur Verbreitung der Avirären Influenza bei.

Prävention ist besser als heilen

Bereits zehn Jahre vor der Verabschiedung des Tiergesundheitsgesetzes war klar, dass präventive Massnahmen stärker in den Vordergrund rücken mussten, um das Auftreten von Tierseuchen zu reduzieren und die Auswirkungen von Ausbrüchen zu minimieren.

Dennoch, wenn es um Vogelkrankheiten geht, scheint eine flächendeckende Prävention ein utopisches Ziel zu sein. Überwachung und Früherkennung sind ein wesentlicher Bestandteil der Seuchenbekämpfungspolitik und Landwirte sind der Grundpfeiler jeder erfolgreichen Kontrolle: Sie beobachten ihre Tiere regelmässig und können abnormales Verhalten – beispielsweise hören Truthähne auf zu gurgeln, wenn sie krank sind – und schwerwiegende Krankheitssymptome erkennen, bevor es zu einem alarmierenden Anstieg der Sterblichkeitsrate kommt. Aber reichen Biosicherheit und Früherkennung (einschliesslich Krankheitsmeldung) aus, um HPAI einzudämmen?

Case Studies: Aviäre Influenza in Frankreich und in Italien

Bis 2022 war die Aviäre Influenza ein lokales und seltenes Problem, und Impfungen galten als Tabu. Die katastrophalen Verluste im Jahr 2022 (das Gesamtdefizit belief sich auf über 1.4 Milliarden Euro, während 45 Millionen Vögel erlegt wurden) änderten die Herangehensweise der Experten: Die traditionellen Biosicherheitsmassnahmen hatten versagt, und das Land war bereit, alternative Lösungen zum Schutz von Tieren und Menschen in Betracht zu ziehen.

Mallard duck male

Im Oktober 2023 führte Frankreich als erstes Land der Europäischen Union eine landesweite obligatorische Impfkampagne durch. Insgesamt wurden 64 Millionen Enten (die bereits vor 20 Jahren als Schlüsselelement bei der Übertragung der Krankheit identifiziert worden waren) geimpft und ein strenges Rückverfolgungssystem eingeführt. Diese Strategie unterbrach die Infektionskette wirksam – von geschätzt 500 Ausbrüchen zwischen Oktober 2023 und März 2024 gab es im Land nur noch 10.


Stockente: Unter den wildlebenden Wasservögeln spielen Entenvögel als Hauptreservoir für das Aviäre Influenza-Virus die wichtigste Rolle.

In Italien brachte der Ausbruch von 2021/ 2022 die gesamte Geflügelindustrie zum Erliegen. Die Notwendigkeit einer Impfkampagne wurde anerkannt, aber die ruhige epidemiologische Lage der folgenden Jahre veranlasste die Behörden, alle nicht leicht zu realisierenden Impfprojekte aufzugeben.

Der nachfolgende Ausbruch 2024/ 2025 bestätigte, dass für die Aviäre Influenza neue Lösungen erforderlich sind. Die Debatte ist weiterhin im Gange. In der Zwischenzeit evaluiert Venetien, ein Gebiet mit hoher Geflügelpopulation, das an wichtige Vogelzugwege grenzt, derzeit die Impfung von Truthähnen als ergänzende Strategie.

Gesamtbild und Ausblick

Im Mai 2025 konzentrierte sich das Tiergesundheitsforum auf der 92. Generalversammlung der WOAH auf das Thema „Veterinärimpfstoffe und Impfungen: Von der Wissenschaft zur Praxis – Überlegungen für Veränderungen“, wobei die Aviäre Influenza ein zentraler Bereich der Besorgnis und des Handelns war.

Viele Länder, nicht nur Frankreich, sondern auch China, der weltweit grösste Eierproduzent, Guatemala, Kasachstan und Peru, haben bereits erfolgreiche Impfkampagnen gestartet. Sie alle sind sich einig, dass Innovationen unerlässlich sind. Sowohl Impfungen als auch ein angemessenes Management des Gesundheitsökosystems, von der epidemiologischen Überwachung bis hin zu modernen Technologien, die eine schnellere Erkennung von Ausbrüchen ermöglichen, erfordern kontinuierliche Investitionen und werden den Ländern dabei helfen, Krisen zu antizipieren, anstatt nur zu reagieren.

Die Vorteile von Impfungen gehen weit über einzelne Tiere hinaus, da HPAI die Landwirtschaft, die Ernährungssicherheit, den Handel und die Ökosysteme destabilisiert. Die Entscheidung für Impfprogramme muss jedoch mit grösster Sorgfalt getroffen werden: Sie muss auf der Verfügbarkeit finanzieller, technischer und personeller Ressourcen für die Aufrechterhaltung wirksamer Kampagnen basieren. Viren gedeihen im Chaos: Wenn einige Vögel geimpft werden, andere hingegen nicht, oder wenn Impfungen unsachgemäss durchgeführt werden, kann das Virus mutieren, und solche Mutationen können zu Spillover-Ereignissen führen.

Die Entwicklung der Ausbreitungsmuster und ein neues Szenario

Ursprünglich stellte HPAI ein Risiko für Hausgeflügel dar. Heutzutage zirkulieren seine Stämme auch in Wildvogelpopulationen.

Guardabuoi Kenya Lake Nakuru

Die sich rapide entwickelnde Natur der Aviären Influenza und die Veränderungen in ihren Ausbreitungsmustern haben den Schutz erschwert: Alle Scheunen können durch eine kontaminierte Umgebung schnell infiziert werden, insbesondere wenn sie direkt an den saisonalen Nord-Süd-Zugwegen der Vögel oder in der Nähe von Feuchtgebieten, Flussufern oder Küstenlagunen liegen. Die wachsende Zahl von Reservoir-Spezies und das Vorkommen des Virus in neuen Arten (sowohl gebietsfremd als auch einheimisch), darunter der Pharaonenibis und der Kuhreiher, erhöhen das Pandemierisiko.

Kuhreiher: Dieser äusserst anpassungsfähige Vogel ist in der Tat relevant, wenn es um die Ökologie der Aviären Influenza geht, da er in engem Kontakt mit Nutztieren lebt und grosse Entfernungen zurücklegen kann.

Bis heute wurden HPAI-Viren bei Vögeln und einigen Land- und Wassersäugetieren auf allen Kontinenten ausser Ozeanien nachgewiesen. Im Januar 2025 verursachte es den Tod eines Leoparden und dreier Tiger in Indien und wurde auch bei Hauskatzen und Vögeln aus einem Markt für lebendes Geflügel festgestellt. Bei früheren Ausbrüchen in Thailand (2003-2004) waren in Gefangenschaft lebende Feliden betroffen, die sich von infizierten Geflügelkadavern ernährten.

Zwischen März und Juni 2025 betrafen von 807 gemeldeten Ausbrüchen nur 268 Geflügel, während 389 Ausbrüche Wildvögel betrafen und 92 Ausbrüche traten bei Säugetierarten wie Serval-Katzen (Bangladesch), Haustieren (USA/ Europa), Robben und Seeottern (Japan) und einem einzigen Schaf (England) auf.

Ende 2023/ Anfang 2024 wurde das HPAI-Virus in nicht pasteurisierten Milchproben nachgewiesen, was eine Übertragung von Vögeln auf Rinder belegt. Ein Ausbruch der Aviären Influenza bei Rindern stellt ein enormes Risiko dar: Viren können in die Milch gelangen, während Arbeitnehmer während ihres Arbeitstages mit verschütteter und aerosolisierter Milch in Kontakt kommen und routinemässig mit Tausenden von Milchkühen in Kontakt stehen.

Die meisten HPAI-Fälle beim Menschen in den letzten vier Jahren standen im Zusammenhang mit direktem Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminierten Umgebungen, wie z.B. Märkten für lebendes Geflügel oder Geflügel aus Hinterhofhaltungen. Im zweiten Quartal 2025 wurden 16 Infektionen beim Menschen gemeldet, sieben davon mit tödlichem Ausgang. Bislang wurde keine Übertragung von Mensch zu Mensch beobachtet. Die derzeit zirkulierenden Viren müssten weitere genetische Veränderungen durchlaufen, um sich über Tröpfcheninfektion effizient unter Menschen ausbreiten zu können. Derzeit ist das Risiko für die öffentliche Gesundheit weiterhin gering.

Warum die Impfung gegen Aviäre Influenza den Handel nicht beeinträchtigen sollte

Die traditionelle Zurückhaltung der meisten Länder gegenüber Impfungen rührt von ihrer Sorge um die Reaktion der internationalen Märkte auf Geflügel und Geflügelprodukte aus geimpften Beständen her. Bei ordnungsgemässer Durchführung ist die Impfung gegen die Aviäre Influenza jedoch mit einem sicheren Handel vereinbar und sollte keine ungerechtfertigten Handelsbarrieren schaffen.

Um einen sicheren und fairen Handel zu unterstützen, arbeiten die WOAH und die International Alliance for Biological Standardization an Überwachungsstandards für geimpfte Geflügelbestände. Einige zuvor skeptische Länder beginnen, ihre Einfuhrpolitik zu ändern.

Abschliessende Überlegungen

Die Entscheidung über den Einsatz von Impfungen gegen die Aviäre Influenza bleibt weiterhin jedem Land selbst überlassen, aber WOAH, FAO and WHO setzen sich weiterhin für wissenschaftlich fundierte Massnahmen ein und erinnern daran, dass die Gesundheit von Tieren untrennbar mit der Gesundheit von Menschen, der Stabilität von Ökosystemen und der Stärke von Volkswirtschaften verbunden ist, weshalb der „One Health”-Ansatz der einzig mögliche Weg vorwärts ist.

 

 


Hauptquellen

  1. Avian influenza - European Commission
  2. One Year of Avian Influenza Vaccination in France: Success! – EASVO – State Veterinary Officers
  3. Regulation - 2016/429 - EN - EUR-Lex
  4. Robert G. Webster – NAS
  5. The application of biosecurity practices for preventing avian influenza in North-Eastern Italy turkey farms: An analysis of the point of view and perception of farmers - PubMed
  6. Updated joint FAO/WHO/WOAH public health assessment of recent influenza A(H5) virus events in animals and people July 2025
  7. WOAH - Avian influenza: understanding new dynamics to better combat the disease
  8. WOAH - Avian influenza vaccination: why it should not be a barrier to safe trade
  9. WOAH - The state of the world's animal health 2025 (pdf)
  10. Updated joint FAO/WHO/WOAH public health assessment of recent influenza A(H5) virus events in animals and people July 2025

 

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Letzte Änderung am Freitag, 21. November 2025 16:08